Wer kennt das nicht? Ständig verändert sich etwas. Unsere Welt ist schnell und schnelllebig geworden. Viele Mitarbeiter/-innen fühlen sich nur noch müde und versuchen, die erhöhte Komplexität, die oft mit Veränderungen einhergeht, irgendwie zu verstehen. Dabei ist nicht die Arbeit selbst das Problem, sondern die vielen Umbrüche im Unternehmen. Ob eine Fusion mit einem anderen Unternehmen, der neue Chef und die neuen Kollegen, der Umzug in ein anderes Gebäude, eine veränderte Aufgabenverteilung oder umfangreiche Neuerungen der Computersysteme nebst entsprechender Schulungen. Viele Mitarbeiter/-innen fühlen sich wie ein Spielball, der hin- und hergeworfen wird.
Klassische Veränderungsprozessphasen
Veränderung ist kein einzelnes Ereignis, sondern ein Prozess. Für Menschen, die sich beruflich umorientieren wollen oder im Unternehmen mit Veränderung konfrontiert werden, kann das Phasenmodell der Veränderung hilfreich sein, dass der Psychologe Kurt Lewin bereits 1963 formulierte und das in der Organisationsentwicklung noch immer angewendet wird. Die Übersicht über die Phasen gibt Orientierung über den aktuellen Stand des Prozesses. Das Schema erinnert außerdem daran, dass man sich Zeit für alle drei Phasen nehmen sollte.
1. Phase: Auflösung oder Auftauen. Das bestehende Gleichgewicht, der Status quo wird infrage gestellt, es wird skizziert, was anders werden soll und was bewahrt wird. Gleichzeitig gilt es, Motivation und Bereitschaft für die Veränderung zu entwickeln. Für Unternehmen heißt das, Mitarbeitern die Veränderungsvorhaben zu erklären und sie in den Prozess einzubeziehen.
2. Phase: Verändern. Aktivitäten, die zum angestrebten Zustand führen können, werden nun initiiert. Die Veränderung kommt in Bewegung. Neue Standards und Muster werden entwickelt. Es geht sowohl darum, dass sich neue Organisationsstrukturen bilden, als auch darum, dass einzelne ihr Verhalten ändern oder etwas dazulernen.
3. Phase: Einfrieren. Das Neue will gefestigt werden. In dieser Phase werden die veränderten Verhaltensmuster verstärkt und außerdem ein neuer und fester Bezugsrahmen gebaut, der dabei hilft, dass wieder ein Gleichgewicht entsteht, der Prozess stabilisiert und abgeschlossen wird. Aber Achtung: Bei Umstrukturierungen in Firmen wird dieser Phase oft zu wenig Zeit gegeben, oder sie wird komplett übergangen. Das kann dazu führen, dass weitere Veränderungsprozesse misslingen.
Ständiger Wandel
Tatsächlich ist das Arbeitseben vieler Menschen mittlerweile häufig von Wandel und Wechsel bestimmt. Das sieht man auch daran, dass seit einem Jahrzehnt der Umgang mit Veränderungsprozessen zu den meistdiskutierten Themen in Personalabteilungen, auf Fortbildungen für Führungskräfte und der Arbeits- und Organisationspsychologie zählt. Traditionelle Strukturen, in denen sichere und langfristige Beschäftigungsverhältnisse bei einem Arbeitgeber möglich waren, sind nicht mehr die Regel. Stattdessen gibt es immer mehr Projektstrukturen, Kurzzeitbeschäftigunen und Arbeitsplätze in denen Aufgaben und Positionen immer mal wieder wechseln.
Das bekräftigt eine Langzeitstudie von Wirtschaftswissenschaftlern von der Universität Mannheim. Sie zeigt, dass in den vergangenen beiden Dekaden nur noch 26 Prozent der Arbeitnehmer eine klassische Laufbahn innerhalb eines Unternehmens erlebten. Der Rest war bei verschiedenen Arbeitgebern nacheinander tätig, wechselte zwischen Teilzeit und Vollzeit, arbeitete selbständig oder fragmentiert – mal angestellt, mal freiberuflich.
Die Ursachen für die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt sind vielfältig. Neben der Globalisierung und der Aufhebung von räumlich-zeitlichen Grenzen durch das Internet, spielt auch wirtschaftlicher Druck eine Rolle. Er prägt Konzerne ebenso wie Non-Profit-Organisationen oder Kleinstbetriebe. Im Grunde betrifft uns das Thema Veränderung, solange wir arbeiten.
„Es ist deshalb ratsam, dass Beschäftigte versuchen, einen Weg im Umgang mit dem ständigen Wandel zu finden“, sagt Judith Volmer, Professorin für Arbeitspsychologie an der Universität Bamberg. „Verschiedene Fähigkeiten spielen hier eine Rolle: Offenheit für Neues, Proaktivität und eine gewisse Bereitschaft zur Mobilität“, sagt sie – wobei Mobilität nicht zwingend „Ortswechsel“ bedeuten müsse, sondern auch den regen Austausch mit Personen außerhalb der eigenen Firma beinhalte. Außerdem beschäftigt sich Volmer mit dem Konzept der „laufbahnbezogenen Anpassungsfähigkeit“. Das von amerikanischen Forschern eingeführte und getestete Konstrukt besagt, dass Personen, die sich gut auf Veränderungen einstellen können und verinnerlicht haben, dass Neuorientierung eine immer wiederkehrende Aufgabe im Arbeitsleben ist, nicht nur erfolgreicher sind, sondern auch zufriedener mit ihrer Jobsituation.
Die Schwarzer-Peter-Frage
Die Aussicht auf ständig neue Umstrukturierungen, neue Kollegen und Computerprogramme stimmt viele Menschen pessimistisch. Die Change-Fitness-Studie, eine Erhebung, die die Mutaree GmbH, eine auf Change-Prozesse spezialisierte Unternehmensberatung, jährlich in Auftrag gibt, zeigte bei den zuletzt ausgewerteten Ergebnissen etwa, dass heute nur noch 71 Prozent der befragten Mitarbeiter die Veränderungsvorhaben der Unternehmen mittragen. Vor einigen Jahren waren es noch 88 Prozent. Und eine Studie von Arbeitspsychologen der Universität Freiburg weist darauf hin, dass die Eingewöhnung in Großraumbüros vielen Menschen schwerfällt und sie dort unzufrieden bleiben.
„Man kann nicht einfach nur an den guten Willen der Mitarbeiter appellieren. Veränderung im Arbeitsbereich ist immer ein Organisationsprozess, in den Unternehmen die Mitarbeitenden angemessen einladen und einbeziehen müssen.“, sagt Prof. Dr. Theo Wehner vom Zentrum für Organisations- und Arbeitswissenschaften in Zürich. Das alles führt zu einer Schwarzer-Peter-Frage, die das Thema oft begleitet: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass Veränderungen gelingen? Laut Organisationsentwickler Wehner ist hier zunächst immer das Unternehmen gefragt. Auf der anderen Seite betrifft die Flexibilisierung der Arbeitswelt jeden Einzelnen: Veränderung wird nicht nur am Arbeitsplatz oder im Joballtag an uns herangetragen, sondern zieht sich durch die gesamte persönliche Berufslaufbahn. Und für diese trägt man natürlich selbst die Verantwortung.
Sich selbst kennenlernen
Es kann sich also auf jeden Fall lohnen, eine selbstverantwortliche Haltung und mehr psychologische Kompetenz im Umgang mit Veränderungen zu entwickeln. Wichtig dafür ist, zunächst einmal zu wissen, wie man selbst reagiert, wenn wieder mal ein Wandel ansteht. Aber jede Veränderung kostet Energie. „Deshalb ist es zunächst kein Wunder, dass Mitarbeiter bei der Ankündigung einer größeren Neuerung im Team mit Befürchtungen, Trauer oder Empörung reagieren“, sagt Axel Koch, Professor für Training und Coaching an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning. „Bevor man sich neu orientiert, braucht man Zeit für diese Trauer- und Verarbeitungsphase“. Doch nach einigen Wochen fangen einige an, sich zaghaft auf die Neuerungen einzustellen, während andere weiterhin verunsichert oder verärgert bleiben. Je nach Persönlichkeit gibt es Unterschiede im Umgang mit Neuem.
Wer wissen will, ob er eher ein „Bewahrer“ ist oder anstehende Neuerungen positiv sieht, dem geben Forschungsarbeiten von der Universität Jerusalem Orientierung: Der Arbeitswissenschaftler Shaul Oreg hat eine Skala entwickelt, mit der man den Widerstand gegenüber Veränderungen messen kann. Die „Bewahrer“, die mit Veränderungen Schwierigkeiten haben, sind vereinfacht gesagt eher rigide, haben oft feste Meinungen, lieben Routinen und reagieren ängstlich, wenn etwas Neues auf sie zukommt. Das Zögern gegenüber dem Neuen habe auch eine Berechtigung, sagt Axel Koch. Wer allerdings merkt, dass er sehr abwehrend auf Veränderung reagiert, sollte nach einem konstruktiven Umgang suchen. Im Team heißt das: Die Bewahrerqualitäten einsetzen, indem man darauf hinweist, was am Bestehenden gut ist. Und für den persönlichen Veränderungsprozess gilt, sich nicht zu überfordern und eher kleine Schritte zu gehen. Während sich veränderungsfreudige Menschen zu fünf Fortbildungen anmelden, kann dem Bewahrertyp eine einzige reichen. Oder: Man übernimmt, wenn möglich, erst mal nur eine einzige neue Aufgabe im Team, die aber ohne Widerstand. „Wem das zu wenig erscheint, der sollte sich vor Augen führen, wie schwierig Veränderung generell ist“, erklärt Koch. „Jeder, der sich das Rauchen abgewöhnt oder die Ernährung umstellt, weiß, dass man auch kleine Änderungen lange einüben muss.“
Will man gezielt Kompetenzen aufbauen, fällt schnell das Stichwort „Eigeninitiative“: Proaktiv zu handeln, umsichtig zu schauen, was in einer Situation erfolgversprechend ist, die eigenen Talente unaufgefordert einbringen – das sind Strategien, die laut Arbeitspsychologe Michael Frese gerade im Umgang mit Veränderungen Gold wert sind. „Viele Menschen verhalten sich zu passiv, lassen Neuerungen quasi über sich ergehen“, erklärt Frese. „So fühlt man sich aber ausgeliefert.“
In die Zukunft schauen
Doch in einem konkreten Umbruch auch noch Chancen oder Vorteile zu erkennen ist nicht immer ganz leicht. Laut Laufbahnforscherin Judith Volmer kann es deshalb wichtig sein, auch in Zeiten, in denen die Situation am Arbeitsplatz stabil ist, einen Fokus auf die eigene berufliche Entwicklung zu behalten. Das heißt: Ziele zu formulieren, die man mit etwas Weitblick im Auge hat. Zu recherchieren, wie sich die eigene Branche oder das eigene Unternehmen gerade entwickelt. Oder sich mit Kollegen zu vernetzen und zu reflektieren, welche Firma oder Position für einen noch in Frage käme. „Wir bezeichnen das als Sorge um die eigene Entwicklung“, sagt Volmer. Mit Karrierismus habe das nichts zu tun, eher mit Umsicht.
Die Krux ist, dass Menschen, die gerade glücklich am Arbeitsplatz sind, oft nicht über weitere berufliche Ziele nachdenken und sich auch keine Sorgen machen wollen. Wem es schwerfällt, immer mal wieder ohne jeden Anlass in die Zukunft zu blicken, für den lohnt sich die Investition in eine Karriereberatung oder ein Coaching, um den eigenen Berufsweg besser überblicken und steuern zu können.
Die eigenen Grenzen kennen
Heißt das also, wenn wir alle ein bisschen proaktiver, zukunftsorientierter und anpassungsfähiger werden, können wir sämtlichen Veränderungen gut begegnen? Das wäre vielleicht dann doch zu simpel. Psychologe Axel Koch ist jedenfalls der Ansicht, dass jeder Einzelne sich durchaus immer wieder fragen sollte, ob das Ausmaß, die Art und die Richtung der Veränderung im Job noch zu einem passen. So werden in manchen Konzernen etwa ständig alle Strukturen neu definiert oder in anderen Unternehmen nach der Umstrukturierung so viel Personal eingespart, dass das Arbeitspensum nicht mehr zu schaffen ist. „Es ist also legitim, sich einzugestehen, dass man mit einer Veränderungssituation in der Firma überfordert ist oder dass die Lage dort einem nicht mehr entspricht“, so Koch. Oft merke man selbst, ob man eine anstehende Veränderung noch mitgehen will. Wenn nicht, sei es angebracht, eventuell nötige Konsequenzen zu ziehen – und sich neue Wege zu einem Arbeitsplatz zu suchen, der besser zu einem passt. Auch das, findet Koch, kann eine gute Form der Anpassung an Veränderung sein.
Fazit: Was hilft mir als Mitarbeiter/-in?
Wie können wir Veränderungen so begegnen, dass sie uns nicht stressen oder im Beruf in eine Sackgasse bringen? Antworten gibt das Konzept der laufbahnbezogenen Anpassungsfähigkeit, das der Psychologieprofessor Mark L. Savickas von der Universität Ohio erforscht hat. Er fand heraus, dass Menschen, die über ein bestimmtes Bündel an Fähigkeiten verfügen, besser mit Veränderungen umgehen können und diese in ihrem Sinn gestalten. Vier Faktoren sind dabei wichtig:
Sorge. Die Fähigkeit, sich immer wieder umsichtig die Frage zu stellen, wie sich der eigene Arbeitsplatz und die Branche entwickelt, was für Anforderungen in der Zukunft gefragt sind und wie man sich diese aneignen könnte.
Kontrolle. Eigenständige Entscheidungen in Bezug auf die eigene Berufslaufbahn treffen. Das bedeutet, sich eigene Ziele zu setzen und diese zu verfolgen, den Job zu wechseln, wenn er nicht mehr passt und Positionen anzustreben, die den eigenen Fähigkeiten entsprechen.
Neugier. Der Wunsch, auch im Alltag Dinge verstehen zu wollen. Sich für Fragestellungen oder Probleme, die sich bei der Arbeit stellen, zu interessieren und generell Neues zu schätzen.
Selbstbewusstsein. Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Die Erfahrung, dass eigene Handlungen, Vorschläge oder Ideen dazu beitragen, dass eine Situation sich verändert oder verbessert.
Quellen:
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- Shaul Oreg: Resistance to change. Developing an individual differences measure. Journal of Applied Psychology, 88/4, 2003, 680-693. DOI: 10.1037/0021-9010.88.4.680
- Nina Pauls, Sarah S. Lütke-Lanfer: Moderne Büroräume. Eine Untersuchung zu Zufriedenheit und Wohlbefinden bei Beschäftigten. Conference Paper, 2/2017, 63. Kongress der Gesellschaft für Arbeitswissenschaft, FHNW Brugg-Windisch, Schweiz
- Annika F. Schüßlbauer u. a.: The goals paves the way: inspirational motivation as a predictor of career adaptability. Journal of Career Development, 2017, in press. DOI: 10.1177/0894845317718348
- Psychologie heute SEP 2018