Die Verkäuferpersönlichkeit

Gute Verkäufer brauchen ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit, zu der auch ausgeprägte Selbstdisziplin und Leistungsmotivation gehören. Doch beide Eigen-schaften haben ihre Schattenseiten. So stellt sich die Frage, welche Kombination von Persönlichkeitsmerkmalen über den Erfolg eines Vertriebsmitarbeiters entscheidet?

Gewissenhaftigkeit und Extraversion als Erfolgsdeterminanten?

Außendienst- und Vertriebsmitarbeiter präsentieren die Produkte eines Unternehmens, betreuen Kunden und versuchen, deren Bedürfnisse zu be­friedigen. Wie metaanalytische Studien von Andrew Vinchur und Kollegen zeigen, steigern zunehmende Ausprä­gungen an Gewissenhaftigkeit (= Leistungsmotivation und Disziplin) und Extraversion (= Kontaktfreudigkeit und Bestimmtheit im Auftreten) den Ver­kaufserfolg. Mit ihrer Hilfe können Mitarbeiter besser auf die Bedürfnisse der Kunden eingehen und sind er­folgreicher darin, sie zum Beispiel vom Abschluss einer Versicherungs­police zu überzeugen. Diese Ergebnisse führten in der Vergangenheit zu einer stärkeren Berücksichtigung dieser Eigenschaften im Auswahlprozess von Verkäufern. Dabei wird der Fokus zunehmend auf Durchsetzungsstärke und Durchhaltevermögen gelegt.

Schattenseiten von Gewissenhaftigkeit 

Ein „mehr“ kann aber manchmal auch „zuviel des Gu­ten“ sein, wie Christian Busse, Matthias Mahlendorf und Christoph Bode in der Fachzeitschrift „Organizational Re­search Methods“ erklären. Demnach kann eine stark ausgeprägte Gewissenhaftigkeit zu rigidem Denken und zur Überbetonung von Regeln führen. Bei zu viel Gewissenhaftigkeit zeigt sich ein umgekehrt U-förmiger Verlauf zwischen Gewissenhaftigkeit und Verkaufserfolg. Bis zu einem gewissen Punkt verbessert Gewissenhaftigkeit die Leistung, danach übersteigen die Kosten (Perfektionismus, Regel-Rigidität, Arbeitssucht) den Nutzen (erhöhter Einsatz und Durchhaltevermögen), so dass die Leistung in der Summe wieder abnimmt.

Aktuelle Studienergebnisse 

In einer aktuellen Studie von Titze, J.; Wihler, A.; Momm, T. & Bickle, G. (2016) wurde untersucht, wie man die „Kosten“ (Perfektionismus, Regel-Rigidität etc.) einer zu stark ausgeprägten  Gewissenhaftigkeit abmildern kann.
Dazu haben die Autoren zum einen die beiden Facetten von Gewissenhaftigkeit – Selbstdisziplin und Leistungsmotivation – untersucht und als disziplinierte Leistungsmotivation bezeichnet. Selbstdisziplin zeigt sich in der Eigen­initiative bei der Ansprache potenzieller Kunden sowie darin, begonnene Projekte, Arbeiten und Aufgaben zum Abschluss zu bringen. Sie wird als eine der wichtigsten Eigenschaften bei Vertriebsmitarbeitern eingeschätzt. Leistungsmotivation beschreibt die Tendenz, sich ständig verbessern und besser abschneiden zu wollen als andere. Sie führt so zu besseren Verkaufsleistungen und größerem Laufbahnerfolg.
Allerdings haben beide Eigenschaften auch Schattensei­ten: Zuviel Selbstdisziplin und zu hoher eigener Erfolgs­druck führen im Extremfall zu Perfektionismus und ver­hindern so eine effektive Aufgabenausführung. Ebenso führt eine zu hohe Leistungsmotivation dazu, dass diese Personen bei negativen Rückmeldungen und Zurückwei­sungen stärkere negative emotionale Reaktionen zeigen.

Die entscheidende Frage ist daher, ob es auch Persönlichkeitseigenschaften gibt, die die negativen Konsequenzen diszi­plinierter Leistungsmotivation in positive Folgen umwandeln können?
Aus diesem Grund wurde ergänzend eine Kombina­tion der Persönlichkeitsmerkmale „Akti­vität“, „emotionale Stabilität“ und „soziale Fertigkeiten“ berücksichtigt. Diese Kombination wurde als „stabile soziale Wirksam­keit“ bezeichnet.
Das Merkmal der „Aktivität“ ist ein Bestand­teil der Persönlichkeitsdimension Extra­version und beschreibt die psychophy­sische Aktivierung auf hohem Niveau. Es verleiht Personen die Energie, auch nach zeitweiligen Misserfolgen mit Schwung weiterzumachen. Allerdings benötigen Menschen mit hohem Aktivitätsdrang auch soziale Fertigkeiten und emotionale Stabilität, um mit negativen Erfahrungen im Vertrieb auf konstruktive Art umgehen zu können. „Soziale Fertigkeiten“ helfen Individuen, geschickt auf Situationen zu reagieren und in stressigen Situationen mit Kunden besonnen und zielführend zu agieren. „Emo­tional stabile“ Personen gehen außerdem sozialverträglicher mit Stress um und re­agieren weniger stark auf die negativen Emotionen anderer Menschen, mit denen Verkäufer manchmal kon­frontiert sind, wie etwa schlecht gelaun­ten, kurz angebundenen, unzufriedenen oder aggressiven (potenziellen) Kunden.
Die Auswertung der Daten ergab,  dass es einen nichtlinearen Zusammenhang zwischen disziplinierter Leistungsmotiva­tion und dem erreichten Umsatzerlös gab, der zu dem von stabiler sozialer Wirk­samkeit moderiert wurde. Bei Personen mit gering ausge­prägter stabiler sozialer Wirksamkeit zeigte sich der erwartete umgekehrt U-förmige Zusammenhang zwischen disziplinierter Leistungsmotivation und Verkaufserfolg. Bis zu einer bestimmten, knapp unterhalb des Durchschnitts liegenden Ausprägung steigert disziplinierte Leistungsmotivation den Verkaufserfolg. Ab diesem Wende­punkt kommt es jedoch mit steigender Ausprägung zu einem zunehmenden Abfall der Verkaufsleistung. Im Gegensatz dazu können Personen mit einer stärker ausgeprägten stabilen sozialen Wirksam­keit überproportional von einer zuneh­menden disziplinierten Leistungsmotivation profitieren und erreichen so – nach einem kleinen Abfall bei unterdurchschnittlichen Werten der disziplinierten Leistungsmotiva­tion – wesentlich höhere Verkaufserfolge.

Erfolgspersönlichkeit des Verkäufers

Wie die Studienergebnisse zeigen, reicht es nicht aus, mit hoher Selbstdisziplin und stark ausgeprägter Leistungsmotivation an Verkaufssitua­tionen heranzugehen. Vielmehr ist es ergänzend notwendig, auch über Per­sönlichkeitsfacetten zu verfügen, die es ermöglichen, mit negativen Kundenreak­tionen (etwa Desinteresse und Ablehnun­gen) geschickt und konstruktiv umzuge­hen und sich davon nicht demotivieren zu lassen. Durch diese Fähigkeiten können leistungsmotivierte Vertriebsmitarbeiter ihr eigenes Verkaufsverhalten adaptiv und kundenorientiert steuern, umso ihren Ver­kaufserfolg  zu steigern. Ohne dieses Eigenschafts-Set führt eine zunehmende disziplinierte Leistungsmotivation dazu, dass Verkäufer im Vertrieb durch Zurückwei­sung und negatives Feedback frustriert werden und durch ihre negativen Emoti­onen schlussendlich einen schlechteren Verkaufserfolg erzielen als Personen, die weniger leistungsmotiviert sind.

Praktische Bedeutung 

Frühere Forschungsarbeiten gelangten zu dem Ergebnis, dass Organisationen bei der Auswahl von Verkäuferpersönlichkeiten vor allem auf das Persönlichkeitsmerkmal „Gewissenhaftigkeit“ achten sollten, da die­se den Verkaufserfolg stark beeinflussen kann. Auf der Basis aktueller Forschungsergebnisse sollte jedoch auch darauf geachtet werden, dass potenziel­le Vertriebsmitarbeiter über die richtige Kombination von Facetten der Gewissenhaftigkeit (Selbstdisziplin und Leistungsmotivation) mit Aktivität, emotionaler Stabilität und sozialen Fertigkeiten verfügen. Nur dann sind die Vertriebsmit­arbeiter auch in der Lage, effektiv mit den zum Teil sehr frustrierenden Reaktionen bei der Kundenakquisition umzugehen, sowie Kunden gleichzeitig zielorientiert und bedarfsgerecht neue Produkte er­folgreich zu verkaufen.

Quellen
  • Blickle, G., John , J., Ferris, G. R., Momm, T. D., Liu, Y., Haag , R., Meyer, G., Weber, K. & Oerder, K. (2012). Fit of political skill to the work context: A two­ study investigation. Applied Psychology: An International Review, 61, 295-322.
  • Busse, C., Mahlendorf , M. D. & Bode, C. (2015). The ABC for studying the too­ much-of-a-good-thing effect: A competi­tive mediation framework linking antece­dents, benefits, and costs. Organizational Research Methods, 19, 131-153.
  • Dietl, E., Meurs , J. A. & Blickle, G. (2017). Do they know how hard I work? lnvesti­gating how implicit-explicit achievement orientation, reputation, and political skill affect occupational status. European Jour­nal of Work and Organizational Psychology, 26,120-132.
  • Grant, A. M. (2013). Rethinking the ex­traverted sales ideal: The ambivert advan­tage. Psychological Science, 24,1024-1030.
  • Vinchur, A. J., Schippmann , J. S., Switzer III. F. S. & Roth, P.L.(1998). A meta­ analytic review of predictors of job perfor­ mancefor salespeople. Journal of Applied Psychology, 83, 586-597.
  • Wihler, A., Meurs, J. A., Momm , T. D., John, J. & Blickle, G. (2017). Conscientiousness, extraversion, and field sales performance: Combining narrow perso­nality, social skill, emotional stability, and nonlinearity. Personality and Individual Dif­ ferences, 104, 291-296.
  • Wirtschaftspsychologie aktuell 1/17: J. Tietze: Wovon die Persönlichkeit eines Verkäufers im Aussendienst abhängt

 

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