Coaching boomt. Jeder zweite Manager hat sich in den vergangenen fünf Jahren coachen lassen. Aber Coach ist keine geschützte Berufsbezeichnung – im Grunde kann sich jeder so nennen. Was aber genau ist denn Coaching, nutzt es überhaupt und worauf sollte man bei der Suche nach einem Coach achten?
Definition
Der Begriff Coaching wird als Sammelbegriff für unterschiedliche Beratungsmethoden (Einzelcoaching, Teamcoaching, Projektcoaching) verwendet. Im Unterschied zur klassischen Beratung werden keine direkten Lösungsvorschläge durch den Coach geliefert, sondern die Entwicklung eigener Lösungen wird begleitet. Coaching bezeichnet strukturierte Gespräche zwischen einem Coach und einem Coachee (Klienten) z.B. zu Fragen des beruflichen Alltags (Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit). Die Ziele dieser Gespräche reichen von der Einschätzung und Entwicklung persönlicher Kompetenzen und Perspektiven, über Anregungen zur Selbstreflexion, bis hin zur Überwindung von Konflikten mit Mitarbeitern, Kollegen oder Vorgesetzten.
Abgrenzung
Coaching ist weder Psychotherapie, bei der Störungen mit Krankheitswert behandelt werden, noch Beratung, in der ein Experte dem Kunden Rezepte zur Problemlösung vermittelt. Es ist auch kein Mentoring, bei dem erfahrene Kollegen jungen Mitarbeitern Orientierung geben. Coaching will Hilfe zur Selbsthilfe sein und unterscheidet sich damit auch vom Training, in dem vor allem neue Verhaltensweisen eingeübt werden.
Nach dem Selbstverständnis der Branche, wie es etwa Christopher Rauen, Coach und Vorstand des Deutschen Bundesverbandes Coaching (DBVC), formuliert, ist Coaching ein Prozess der Begleitung und individuellen Unterstützung. Im Vordergrund stehen berufliche Anlässe, aber naturgemäß spielen häufig auch private Inhalte in den Prozess hinein. Der Coach zielt idealerweise auf eine Förderung von Selbstreflexion, Selbstwahrnehmung, Bewusstsein und Verantwortung.
Aktueller Forschungsstand
Dass Coaching wirkt, zeigen mittlerweile auch wissenschaftliche Studien. Gemäß einer Metaanalyse von Tim Theeboom (Universität Amsterdam) hat es den stärksten Effekt auf die Selbstregulation des Klienten. Coachingteilnehmer können demnach im Anschluss besser auf ihre Ziele hinarbeiten. Sie fühlen sich leistungsfähiger und bewältigen Arbeitsstress leichter.
Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück, sieht im Coaching ein hohes Potenzial: ,,Es ist deutlich höher als das von klassischen Trainingsmethoden, weil ich auf den einzelnen Klienten individuell eingehen kann.“
ABER: Welche Interventionen auf Basis welcher Theorien letztlich die größte Aussicht auf Erfolg versprechen, kann die Forschung derzeit noch nicht umfassend beantworten. ,,Viele Methoden haben eine hohe Plausibilität, die sich auch aus anderen Forschungen ableiten lässt, aber so weit wie die Medizin, wo es eine Differenzialdiagnostik gibt, sind wir einfach noch nicht (U. Kanning).“
Was macht Coaching wirksam?
Derzeit arbeitet man daran, zentrale Wirkfaktoren im Coaching zu definieren, die unabhängig von der konkreten Methode, ein Gerüst für eine erfolgreiche Steuerung des Prozesses bieten. Laut den Arbeits- und Organisationspsychologen Behrendt und Greif sind beim Coaching sieben Wirkfaktoren entscheidend:
- Wertschätzung und emotionale Unterstützung des Klienten durch den Coach
- Affektaktivierung und -kalibrierung: Der Coach kann den Klienten gezielt anregen, sich positive oder negative Gefühle zu vergegenwärtigen, die er in für ihn wichtigen Situationen erlebt hat.
- Ergebnisorientlerte Situationsanalyse: Der Klient wird angeregt, schwierige Situationen zu schildern und zu analysieren. Dabei stehen Ansätze für positive Veränderungen im Zentrum.
- Ergebnisorientierte Selbstreflexion: Der Klient wird angeleitet, sich seine Werte, Bedürfnisse, Stärken und Schwächen sowie sein ideales Selbstkonzept bewusst zu machen und dabei neue Einsichten oder Pläne zu entwickeln.
- Zielklärung: Eine der wichtigsten Aufgaben im Prozess überhaupt
- Ressourcenaktivierung
- Umsetzungsunterstützung: Dem Klienten werden konkrete Maßnahmen und Methoden an die Hand gegeben, sein Problem in der Praxis zu bewältigen.
Praxisakzeptanz
Die Marburger Coaching-Studie 2016 zeigt eine ausgesprochen positive Einschätzung aufseiten der Kunden.
In der Arbeit mit Führungskräften hat sich Coaching inzwischen als wichtigste Personalentwicklungsmaßnahme etabliert.
Zugleich greifen „in Fragen der beruflichen Veränderung und Weiterentwicklung, der Neuorientierung oder auch in Fragen der Work-Life-Balance (…) auch Privatpersonen verstärkt auf Coaching zurück und sind bereit, hier in die eigene berufliche Zukunft zu investieren.
Praxistipps:
- Essentiell ist die Beziehung zwischen Coach und Klient: Arbeiten Sie nur mit einem Coach zusammen, dem Sie vertrauen und mit dem Sie auch für mehr als eine Sitzung zusammen arbeiten möchten. Trauen Sie sich, gegebenenfalls den Coach zu wechseln.
- Achten Sie auf die Ausbildung des Coaches: Die Berufsbezeichnung „Coach“ ist nicht geschützt, ebenso wenig wie es klare Regelungen zum Honorar gibt. Die steigende Nachfrage und Akzeptanz treffen auf einen unübersichtlichen Markt. Um einschätzen zu können, ob ein Coach seriös arbeitet, lohnt ein Blick auf seinen Werdegang. Dazu meint Astrid Schreyögg, seit 1985 Coach, Psychologin und Autorin zahlreicher Fachbücher: „Psychologisches Fachwissen ist zentral, es reicht aber bei weitem nicht aus. Psychologen arbeiten mitunter nur an der Persönlichkeit und vergessen den organisationalen Kontext. Man braucht aber unbedingt Wissen über Organisationsphänomene und soziologische Expertise.“ Hier seien Betriebswirte besser vorgebildet. Oft sind es aber auch Empfehlungen, die Suchende zum passenden Anbieter bringen.
- Coaching ist ein Format für gesunde Personen: Ein Coach muss erkennen, welches Problem der Mensch hat, der vor ihm sitzt und wie gravierend es ist. Geht es um eine besondere Belastung aus dem Job, die mithilfe von Änderungen in Haltung und Verhalten zu bewältigen ist oder doch um eine psychische Störung? Grundvoraussetzung ist daher auch, dass ein Coach klinische Bilder identifizieren kann und Sie gegebenenfalls an einen ausgebildeten Psychotherapeuten weiterleitet.
- Die Augenhöhe ist entscheidend: Im Unterschied zur Therapie oder Beratung, bei denen meist ein hierarchisches Verhältnis herrscht, besteht sie im Coaching auf Augenhöhe. Je umfassender das Verständnis des Coachs auch für die emotionale Qualität der Situation des Klienten ist, umso größer ist die Aussicht auf den Erfolg der Maßnahme.
- Erwartungen zu Beginn mit allen Beteiligten abklären: Sind Coach und Klient sehr zufrieden, muss es der Personalverantwortliche im Unternehmen, der das Coaching bezahlt, nicht zwingend auch sein. Achten Sie daher darauf, dass die Erwartungen aller Beteiligter im Coachingprozess zu Beginn geklärt werden, um Unzufriedenheit und Zweifel so wenig wie möglich aufkommen zu lassen.
Quellen
Siegfried Greif, Heidi Möller, Wolfgang Scholl (Hrsg.): Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching. Springer-Verlag, Berlin und Heidelberg 2018. Ein Teil der Aufsätze ist bereits online verfügbar unter: link.springer.com
Heidi Möller, Silja Kotte: Diagnostik im Coaching. Grundlagen, Analyseebenen, Praxisbeispiele. Springer, Berlin und Heidelberg 2013
Psychologie heute: Ausgabe 07/2017 – Coaching: Hilfe zur Selbsthilfe
Christopher Rauen (Hrsg.): Coaching-Tools. Erfolgreiche Coaches präsentieren 60 Interventionstechniken aus ihrer Coaching-Praxis. managerSeminare Verlag, Bonn 2004
Gerhard Roth, Alica Ryba: Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte. Klett-Cotta, Stuttgart 2016
Alica Ryba, Daniel Pauw, David Ginati, Stephan Rietmann (Hrsg.): Professionell coachen – konkret. Das Fall- und Reflexionsbuch: vom Erfahrungswissen zur Handlungskompetenz. Beltz, Weinheim 2014
Alica Ryba, Daniel Pauw, David Ginati, Stephan Rietmann (Hrsg.): Professionell coachen. Das Methodenbuch. Erfahrungswissen und Interventionstechniken von 50 Coachingexperten. Beltz, Weinheim 2014
Astrid Schreyögg: Coaching: Eine Einführung für Praxis und Ausbildung. 7. komplett überarbeitete und erweiterte Auflage. Campus Verlag, Frankfurt 2012
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